12. Die Königskerze

Wenn sie klein ist, zeigt sich die Königskerze (Verbascum) weich und flauschig. Sie ist zweijährig, verbringt also ihr erstes Lebensjahr als hübsche, symmetrische Blattrosette und entwickelt sich dann erst im zweiten Jahr zu einer wahrhaft königlichen Erscheinung. Danach stirbt sie dann gewöhnlich ab, nachdem sie großzügig tausende winziger Samen verstreut hat. Die meisten Königskerzenarten blühen gelb. Manche bekommen bis zu 2 m hohe Blütenstände, andere bleiben wesentlich kleiner. Sie braucht einen sonigen Standort. Die in Hamburg wahrscheinlich häufigste natürlich vorkommende Königskerzen-Art ist Verbascum nigrum, die sehr originell aussehende violette Staubgefäße in den gelben Blüten hat. In den Gärten gibt es einige eingeführte Arten und gezüchtete Sorten, die sich gerne untereinander kreuzen, so dass man oft irgendwelche Mischformen vorfindet.

Die Königskerze besitzt eine kräftige Pfahlwurzel und lässt sich – wie viele Gewächse mit Pfahlwurzeln – nur ungern umpflanzen. Sie sät sich also irgendwo aus, und man lässt die Exemplare stehen, die halbwegs passende Standorte haben. So wandert die Königskerze durch den Garten und wächst dort, wo es ihr gefällt. Das ist sicher nicht jedermanns Sache, verhindert aber zuverlässig Langeweile in der Gartengestaltung. Kombiniert man sie mit weiteren wandernden Pflanzen und Einjährigen, so hat man sehr dynamische Beete, die jedes Jahr anders aussehen.

Die Königskerze zählt zu den Ruderalpflanzen. Das sind Pflanzen, die nach Überschwemmungen, Erdrutschen oder nach menschlichen Aktivitäten wie dem Aufschütten von Bahndämmen, auf Baustellen oder nach dem Brachfallen von Ackerflächen und in Kriegstrümmern als erste solche vegetationsfreien Böden besiedeln. Auch Nachtkerzen, verschiedene Disteln, Weidenröschen, Steinklee und Wilde Möhre gehören zu diesen Pflanzen. Langfristig werden sie meist von anderen Pflanzen verdrängt, da sie den offenen Boden brauchen, um sich auszusäen. Gerade in dem Queckefilz, der viele Flächen in der Stadt bedeckt, wachsen sie nicht ohne menschliche Eingriffe. Da auch bodenbrütende Wildbienen solche vegetationsfreien, sonnigen Flecken sehr schätzen, lohnt es sich, sonnige Beete stellenweise immer mal wieder von Bewuchs zu befreien. Das Mähen ein- oder zweimal im Jahr wird zwar für Wildblumenwiesen und Langgraswiesen empfohlen, erzeugt aber kaum wirklich kahle Bodenstellen. Wenn man stellenweise Pflanzen der Ruderalvegetation haben möchte und die Flächen nicht zu groß sind, empfiehlt sich tatsächlich das klassische Jäten, also ein Herausziehen der vorhandenen nicht gewünschten Pflanzen samt Wurzel, so dass man offene Bodenstellen erzeugt. Besonders im April und Mai wird das zu einem Ansturm von sehr erfreuten Wildbienen führen, die dann sofort dort Nester anlegen. Kompostieren sollte man die gejäteten Pflanzen nicht im Beet, da diese eine düngende Wirkung haben und natürlich die Wildbienen beim Wohnungsbau stören.

Die Königskerze wird schon seit langen Zeiten als Heilpflanze genutzt bei Erkältungen und Husten, Hildegard von Bingen empfahl die „Wullena“ auch als Heilmittel „gegen ein traurig Herz“. Vielleicht auch, weil die wollig-weichen Blätter sich so tröstlich anfühlen wie das Ohr eines schon etwas abgeliebten Teddybärs ?