15. Die Karde

Die wilde Karde (Dipsacus fullonum) ähnelt den Disteln, ist aber nicht direkt mit ihnen verwandt. Sie ist zweijährig, ein Jahr lebt sie als Blattrosette, gut identifizierbar durch die kleinen Stacheln, die überall auf den zungenartigen, glänzenden Blättern sitzen.

Im zweiten Jahr bildet sie einen Blütenspross aus, der bis zu 2 m hoch werden kann und sich meist sehr symmetrisch verzweigt. Die Blüten sind von spitzen kleinen Hüllblättern und Tragblättern umgeben, die über die Blüte hinausragen. Die Blüten selber sind runde oder längliche dicke Stachelgebilde, über die ein Ring aus violetten Blüten „wandert“. Bei Hummeln ist der Nektar sehr begehrt. Die Stengel der Karde sind stachlig, die Blätter am Blütenstiel sind jedoch kaum noch mit Stacheln besetzt. Sie stehen gegenständig am Stiel und umhüllen diesen, so dass sich in dieser „Tasche“ Regenwasser sammelt. Pflanzen, die solche wassersammelnden Vorrichtungen ausbilden, nennt man Zisternenpflanzen. Welche Funktion diese Zisternen bei der Karde haben, ist noch unklar. Die Samen der Karde sind bei Stieglitzen und anderen Vögeln beliebt.

Die Karde liebt eine ausreichend feuchten Untergrund, hat es obenrum aber gern vollsonnig. Mit ihrer langen Pfahlwurzel kann sie sich Feuchtigkeit aus tieferen Bodenschichten holen, übersteht also auch Trockenzeiten gut.
Man kann sie im Herbst oder Frühling aussäen, direkt ins Freiland. Man kann sich aber auch eine fertige Pflanze beschaffen, denn anders als viele andere Pfahlwurzler toleriert die Karde das Umgepflanztwerden erfahrungsgemäß recht gut.

Es ist verwunderlich, dass diese höchst dekorative Pflanze so selten als Gartenpflanze zu finden ist. Eine Erklärung ist vielleicht, dass sie als Wildpflanze dazu neigt, sich irgendwo auszusäen, auch an unpassenden Standorten, man muss also im Frühling ihre überzählingen Sprösslinge jäten. In manchen Gärten gelingt die Ansiedelung der Karde dagegen nur schlecht, dann kann man versuchen, den Boden an den entsprechenden Stellen mit Kalk zu verbessern.

Wenn man ihre Eigenschaften betrachtet, ist es nicht verwunderlich, dass die wilde Karde die „Wappenpflanze“ von Naturgarten eV. ist, dem Verein, von dem auch das Bunte Band Eimsbüttel getragen wird.

Die wilde Karde hat noch einige Verwandte, die teilweise fast genauso aussehen, wie zum Beispiel die Weberkarde (Dipsacus sativus). Mit ihren stachligen Fruchtständen haben Weber früher Wollstoffe aufgeraut. Ein bisschen anders sieht die behaarte Karde aus (Dipsacus pilosus) – sie ist weit weniger stachlig und hat eher weiche, lappige Blätter. Sie bildet keine Zisternen aus, ihre Blüten sind nicht von prächtigen Hüll- und Tragblättern umgeben, die Blüten sind kugelig rund, weißlila und viel unscheinbarer als die der wilden Karde. Scheinbar eine ganz langweilige Pflanze – ihre Blüten sind jedoch extrem begehrt bei allen Insekten. Der Ansturm auf diese unscheinbare Pflanze ist erstaunlich. Sie blüht viel länger, und offensichtlich ist ihr Nektar besser erreichbar als der Nektar der wilden Karde, denn auf der behaarten Karde tummeln sich alle möglichen Insekten. Wer behaarte Karden im Garten hat, kann sich getrost vom Schmetterlingsflieder verabschieden – der wird von den Insekten ignoriert, wenn die behaarte Karde zur Verfügung steht.

Links am Rand wilde Karde, mitten im Bild die behaarte Karde